...sicher ist, dass Dorszewska ...mit ihrer Malerei tief in der
Tradition der polnischen Malerei des 20. Jahrhunderts verwurzelt ist.
...Die Vorliebe für die schwierige Technik der Pastelle verbindet die
Künstlerin noch stärker mit der vielschichtigen Tradition der polnischen
Malerei (Wyspiański, Wyczółkowski, Witkiewicz, u. a.). Diese Verbindung
jedoch ist keineswegs getragen von simpler Nachahmung der Manier,
Technik oder der künstlerischen Vision eines ihrer Vorgänger. Die
Pastelle von Dorszewska entsprechen ihrer eigenen Art und Weise, ihres
ganz eigenen Zugangs sowie ihrer ebenso eigenen Methoden des Spiels mit
Farbe und Form...
...Es gibt zwei unverzichtbare und diese Tradition stark bestimmende
Merkmale: Farbe und Metapher. Metapher, kein Surrealismus. Kolorismus,
kein Postimpressionismus. (Prof. Zbigniew Makarewicz, Katalog „Hier und Dort, 2011)
Mehr im Traum als in Wirklichkeit sind die Bilder der polnischen
Künstlerin Jolenta Dorszewska angesiedelt(...)
Jolenta ist ein Mensch, der die Farbe als solche losgelöst von allem
Gegenständlichen, unmittelbar und intensiv erlebt....Es ist ihr zur
inneren Notwendigkeit geworden Farbe zu erleben, sie sichtbar
wiederzugeben, Farbstrukturen, Farbspiralen und Farbflecke, leicht
Dahingewischtes, manche locker und luftig wie Wolken, andre schwer tief
wie Gräben , haben einen klaren erkennbaren Sinn: Sie beleben und
steigern den tiefensatten Klang der Farben. (Wolf Stegemann, Schriftsteller und Journalist, Katalog “Kräfte der
Natur“, Brüssel, 2003)
...Kunst kennt keine Grenzen. Im Künstlerischen chaffen vn Jolenta
spiegelt sich ein Stück europäischen Kunstverständnisses... (Dr. Karl- Christian Zahn, Ehemaliger Ausschussvorsitzender im Rat
der Gemeinden Europas in Straßburg“, Brüssel, 2003) Ihre Werke wirken vor allem durch die Suggestionskraft ihrer Farben.
Die Formen entwickeln sich dabei vor den Augen des Betrachters aus der
Tiefe des Bildraumes heraus.
Ihre Malerei ist eine Syntheseaus konkret vorhandenen Landschaft und
Ihren eigenen poetischen Intention, welche in der Interpretation der
Landschaft unmittelbar einfließt.
Prozesshaft überwindet sie dabei die sichtbare Erscheinung und gelangt
zu den Kräften, die das Sichtbare formen... (Dr. Helmut Orpel, Art Profil, 2001)
Kunstkritiker Prof. Makarewicz
über Jolenta Dorszewska Pötting
FARBENFROHE KASCHANTEPPICHE UND NOSTALGISCHE POEME.
Impressionen über die Malerei Jolenta Dorszewska-Pöttings.
Große und kleine Bilder, Monotypien, Öl, Acryl, Aquarell, Tempera,
Pastell... all dies sind Mittel, die es Dorszewska gestatten, zu allen
Jahreszeiten ihre beliebten Streifzüge über polnische Wiesen zu
unternehmen. Wiesenlandschaften. Wiesen sind farbenfrohe Teppiche, die
blühen und duften. An Sommertagen erfüllt von dem Gesumme der sich am
Nektar der Kräuterblüten labenden Insekten („W letnim upale“ [In der
Sommerhitze], 2010). Mit jedem Schritt bilden die Wiesen Tausende
Mikrowelten. Wiesen sind ein Genuss für die Augen (Zyklus „Biologiczna
energia“ [Biologische Energie], 2008). Wenn die Zeit der Herbststürme
einbricht und danach das Wintereis die Landschaft erstarren lässt, und
wenn das Tauwetter und das Frühlingserwachen kommen, dann fließt alles,
Bild für Bild in die malerische Empfindsamkeit Dorszewskas. Sie wiederum
entdeckt dort sowohl unbezwingbare Bergmassive, wie ebenso die Tiefen
des Ozeans. Polnische Wiesen. Wenn dann die Natur, die Berührung der
lebendigen Materie und die selbständig existierende Natur fehlen
sollten, wird die Malerin ihre gänzlich eigene Entsprechung schaffen.
Und dies ist eines ihrer wichtigsten Kunststücke (bspw. Zyklus: „Wejście
w naturę“ [Eintauchen in die Natur], 2010).
Die Vorliebe für die schwierige Technik der Pastelle verbindet die
Künstlerin noch stärker mit der vielschichtigen Tradition der polnischen
Malerei (Wyspiański, Wyczółkowski, Witkiewicz, u. a.). Diese Verbindung
jedoch ist keineswegs getragen von simpler Nachahmung der Manier,
Technik oder der künstlerischen Vision eines ihrer Vorgänger. Die
Pastelle von Dorszewska entsprechen ihrer eigenen Art und Weise, ihres
ganz eigenen Zugangs sowie ihrer ebenso eigenen Methoden des Spiels mit
Farbe und Form. Der Grund, ihre Bilder in den Zyklus der so polnischen
Traditionen und Leistungen aufzunehmen, liegt gänzlich anders. Es ist
diese dauerhafte und bis in die weiteste Winkel des Bewusstseins
verwurzelte Vorliebe für die in der östlichen künstlerischen
Empfindsamkeit begründeten Farbenfröhlichkeit; des ganz nahen Ostens,
dem Polen auf den Schlachtfeldern entgegentraten, dessen Kultur sie aber
außerordentlich zu schätzen gelernt haben. Farbenfröhlichkeit. Nicht
eine systemische, sondern die fröhlich spontane Farbigkeit der Webstoffe
– sowohl der huzulischen Kelime wie auch der persischen Teppiche – ist
eine Quelle, die so unterschiedliche Maler wie Dorszewska und ihre
Vorgänger miteinander verbindet.
Diese polnische Sensibilität äußert sich auf zwei Quasi-Wellenlängen,
jene Farbigkeit (der polnische Kolorismus) und Metapher. So verhält es
sich ebenso in den folgenden Formdramen der Malerei von Dorszewska. Es
beginnt mit einem Traum. Es beginnt mit Sehnsucht nach etwas weit
Entferntem und Unerreichbarem. Es beginnt mit gewissermaßen (Traum-)Visionen
(bspw.: Zyklus „Kamienne historie“ [Steinerne Geschichten], 1982-1985).
Farbe. Jene Größe, die ihre Malerei nun so stark hervorhebt, war zu
Beginn lediglich eine Funktion zur Benennung räumlicher Relationen,
grundsätzlicher Bezüge und Konnotationen. Himmel. Erde. Wasser. Felsen.
Baum. Wolke. Und die, so in den Gedanken über Landschaften, zeigen
versunkene Bilder, sollen jedoch gleichsam lediglich dies bedeuten
(bspw.: „Spotkanie“ [Treffen], „Rozmowa na szczycie“ [Gespräch auf dem
Gipfel], 1994). Soviel ist eben nötig, dass der Empfänger direkt in den
Kern der Vision der Künstlerin vordringen kann. Damit er sich von den
suggestiven Vorstellungen erfassen lässt, damit er in den Bildern noch
etwas vorzufinden vermag, womit er sie selbst vollständig auffüllen
kann. Es empfiehlt sich, diese Bilder in Erinnerung zu behalten, da sie
mit einer bemerkenswerten Sanftheit der Gefühle, mit einem
außerordentlichen Einfühlungsvermögen für die Eigenheiten der
Pastell-Technik und der kühlen Farbpalette der Pastellfarben geschaffen
wurden. Keineswegs die Empfindsamkeit des Empfängers massakrierende
Überhäufungen von Effekten, sondern vielschichtige Suggestionen, die den
parallelen märchenhaften Erzählungen eine Chance zur Entfaltung geben.
Ja. Das war keine Malerei des Surrealismus. Das war und ist noch immer
die Welt der gemalten Metapher. Es sind gemalte Poeme. Die durchaus
gelungene Wahl, Technik mit Vision zusammenzulegen (hier: Pastell und
wie Tempera angewandtes Acryl) entscheidet über den hohen künstlerischen
Wert der Malerei.
Worin liegt dann also die Anarchie Dorszewskas?
Wie deutlich aus einer Zusammenstellung ihrer Bilder aus den 80er und
90er Jahren hervortritt und weiterhin in den nach der Milleniumswende
entstandenen Bildern sichtbar wird, lässt ihre Malerei einige parallel
verlaufende Pfade erkennen. Diese spezifische Methode besteht in einer
Anwendung der Gleichzeitigkeit in der Erläuterung malerisch formeller
Stränge, in der Erschaffung kontrapunktueller und gegensätzlicher
Konstruktionen zu den eigenen wesentlichen Errungenschaften (bei denen
manch einer bis ans Ende seiner Tage verbleiben würde).
Die derzeitige Ausstellung (Opole 2011) stellt drei Entwicklungslinien
dar: metaphorische, aktive und realistische sowie Gobelin. So nenne ich
sie. Selbstverständlich ist das, was ich Realismus nenne, kein
Realismus. So würde ich die malerische Wirklichkeit nennen, die aus
einem Gebrauch der Aktion des Malens hervorgeht, d.h. einer lebhaften
Überlagerung von malerischen Schichten der Materie in ihren spezifischen
Prozessen: abfließen, tropfen, verlaufen, verschmieren im Gegensatz zum
Pinselstrich. Diese Effekte, die aus der Malerei und Graphik
verbindenden Monotypietechnik, gleichsam aus der Aquarelltechnik bekannt
sind, setzte Dorszewska meisterhaft ein, indem sie das Zusammenspiel der
Zufälligkeit vollkommen unter Kontrolle hat und das „Werden“ der Malerei
nutzt (bspw. die Zyklen: „Lodowa jaskinia“ [Eishöhle], 1995, „Śpiew
morza“ [Meeresgesang], 1996 – 98, ebenso „Barwy morza“ [Meeresfarben],
2000). Diesen sowie identischen Grundsätzen folgende Bilder von
Naturgewalten wie Wasser, die Tiefen der Ozeane, ebenso Feuer und
Vulkanausbrüche bringen uns in unserem Kunsterleben über die Titel der
Werke einer Entschlüsselung der Metapher eines visuellen Poems näher.
Der Titel liefert durchaus einen Hinweis, im Zusammenspiel mit dem Bild
wird dieser zu einer Selbstverständlichkeit. Und so brennt die
malerische Materie oder wird zu Eis, oder aber geht in Abgründe der
Gewässer über. Sie ist über alles wahrhaftig.
Die metaphorische Linie dagegen schließt ihren Entwicklungszyklus in
seiner asketisch zusammengestellten Farbpalette mit dem dramatischen und
bedrohlich wirkenden Bild aus dem Zyklus „Tornado“ (2000) ab. Jene
Pastellbilder bauen auf der Spannung zwischen der sanften Technik und
der zum Ausdruck gebrachten Naturgewalt auf. Wir wissen durchaus, dass
diese im Grunde kleinen Bilder, die jedoch den monumentalen Eindruck der
räumlichen Unendlichkeit vermitteln, keineswegs ein Abbild sind, sondern
eben eine metaphorische Vorstellung der zerstörerischen Kraft – und
dennoch sind sie derart wahrhaftig! Auf diese Weise wird ein Prozess in
Gang gesetzt, der die scheinbar weit voneinander entfernten malerischen
Welten, die Dorszewska hervorruft, gleichsam miteinander verbindet.
Eine Regelmäßigkeit lässt sich erkennen. In den ersten Jahren unseres
Jahrhunderts, obgleich sich bereits im letzten Jahr des zwanzigsten
Jahrhunderts gewisse Anzeichen feststellen ließen, weichen die
nostalgischen Landschaften sowie jene geheimnisvollen Begegnungen auf
den Berggipfeln und die in Stein verwunschenen Köpfe der über den kühlen
Gewässern der Fjorde ruhenden Riesen zu Gunsten von zunehmend
farbenprächtigeren Kompositionen, die anstatt in ihrer Welt der
Erscheinungen zu verharren, bereits im Jahre 2010 zu jenem fröhlichen
Eintauchen in die Natur werden. Keine Trugbilder mehr, keine Nostalgie.
Üppige Wiesen erfassen den gesamten Horizont, die Überreste wiederum der
von irgendeinem Volk errichteten Monumente dienen lediglich dazu, die
Freude am Fortleben der Natur zu akzentuieren. Es ist ebenso
unumgänglich, ein jedes Mal über den poetischen Sinn dieser Malerei zu
sinnieren. Auch dann, wenn sie von den subtilen Farbballen sowie den
gänzlich entfalteten, saftigen Farben sowie einem Höchstmaß an blumiger
Materie, mal vulkanischen („Erupcja I“ [Erruption I] - 1995, „Erupcja
II“ [Erruption II] – 1996, „Okrążanie“ [Umkreisen] – 1996), mal
biologischen Ursprungs („Biologiczna energia III“ [Biologische Energie
III] – 2008), wortwörtlich durchdrungen ist. Zum Schluss lässt sich
feststellen, dass die Malerin ihre Werke mit einem sehr zutreffend
benannten Abdruck der Monotypie aus dem Jahre 2008 zusammenfasst: „Ogrody
fantazji“ [Gärten der Phantasie].
Und es gibt einige dieser Gärten. Sie bilden ein gewisses novum in der
Familie der malerischen Phänomene, die die Autorin der „Błękitna
rapsodia“ [Rhapsody in Blue] und der „Czerwona rapsodia“ [Rhapsody in
Red] (Pastell 2001) ins Leben rief. Im gleichen Jahr entsteht auch die
Pastellzeichnung „Zielona symfonia“ [Rhapsody in Green]. In den Titeln
ihrer Bilder lässt Jolanta (einige ihrer Serien unterschreibt die
Künstlerin nur mit diesem Namen) gewissermaßen auf ein Schlagwort
zusammengefasste Manifeste einfließen. In der Tat wird ihre gesamte
Malerei von ungewöhnlich harmonischen und klangvollen Farbakkorden
gesättigt. Im Wesentlichen sind dort Malergärten zu entdecken. Dort ist
eine „Podwodny świat“ [Unterwasserwelt] (2004) zu finden, und dann
weitere vor dem Auge des Betrachters ausgebreitete farbenfrohe
Webstoffe, also Pastellserien aus dem Jahre 2006 wie bspw. „Kaszubski
ptak“ [Kaschubischer Vogel], sicherlich in seinem Vogelgarten, wunderbar
klingt der Meeresgesang „Śpiew morza“ und aus den Tiefen des Wassers
birgt sich eine Weiße Insel „Biała wyspa“ ihren Weg empor, zwischen den
Feldern und Wiesen „Między polami i jeziorami“ schlängelt sich ein
kleiner Weg.
Die Streifzüge oder auch Wege und Routen der künstlerischen
Explorationen, die Jolanta wählte und die zunächst in so
unterschiedliche Richtungen auseinander zu laufen scheinen, weisen jedoch
eine Tendenz auf, sich zu treffen, die jeweiligen Routen miteinander zu
verflechten und die Bilder mit den während ausgedehnter Wanderungen
zusammengetragenen Erfahrungen zu sättigen. Von diesen Wanderungen
rückgekehrt, errichtet Jolanta bildnerische Stationen, indem sie die
Leinen in Zweier- oder Vierergruppen zusammenfasst und sie aneinander-
sowie übereinander reiht, leicht von der Wand hin zu den Augen des
Betrachters geneigt, wie um die Ecke eines Hauses schauend, bilden sie
bedeutsame Punkte, die die gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen („Barwy
morza“ [Farben des Meeres], „Jesienny ogień“ [Herbstfeuer], „Dzień i noc“
[Tag und Nacht]). Sie verharren wie die Mauer einer Wehranlage.
Wunderschön. Blaugrün oder gold-rot, sie erstrahlen Himmelblau, in
warmen Farben des Tages oder versinken im kühlen Violett der Nacht.
Diese bildnerischen Rückzugsgebiete entstehen in den Jahren 2000 und
2001. Zwei wichtige Jahre auf dem Weg und all den zahlreichen
Nebenpfaden, auf denen diese Malerei wandelt. Interessant ist dabei,
dass wir zunächst die Nebenpfade einzeln wahrnehmen können, so dass sich
der Weg uns erst ganz zum Schluss erschließt. Würde man alle Arbeiten
von Jolanta dem Schema einer Entwicklung nach anordnen, dann würden sie
einen spezifischen Sinusoid bilden, der das Pulsieren gänzlich
verschiedener Werte wiedergibt. Zunächst ein Ansteigen und Abfallen der
sich deutlich definierenden Metaphorik; danach ein erneutes Auf und Ab
im Bereich der Intensität bildnerischer Aktion (Realismus), in der
letzten Dekade dann schiebt sich zwischen diese beiden Linien
gewissermaßen eine steil nach oben verlaufende Kurve der Gobelin-Serie
(nicht zu vergessen, dass sich diese Entwicklung bereits mit den „Erupcje“
[Eruptionen] aus den Jahren 1995 und 1996 andeutet), und schließlich
lässt sich eine erneut ansteigende Bewegung aller dreier Linien
beobachten, die in der letzten Bildserie aus dem Jahre 2010 miteinander
verschmelzen.
Ein klarer melodischer Klang. Eine wahrlich biologische Energie. Ein
ekstatisches Fortwähren der Farben.
Es ist eine Gesetzmäßigkeit unserer Zeit, des Zeitgeistes, dass alles,
was im Jetzt seine Anwesenheit in den medialen Erscheinungsformen und
ebenso in den Sammlungen der Museen für moderne Kunst stärker betont,
das Ergebnis einer gewissen Veränderung darstellt. Die Haltung eines
Künstlers und die daraus für seine Kunstwerke resultierenden
Konsequenzen zählten einst zu den sehr stark akzentuierten
künstlerischen Werten, heute jedoch würden sie die Beobachter der
Kunstszene nicht wirklich bewegen, nicht wirklich ihre Aufmerksamkeit
auf sich ziehen, da Aufmerksamkeit heute nicht mehr auf längere Zeit
fesseln kann. Und erst recht nicht die Malerei allein. Eine
Leidenschaft, schön zu malen um des Malens Willen allein. Man sagt, dass
alle Schöpfer sind, jedoch Schöpfer ohne Eigenschaften, den diese erst
verleihen oder kulturpolitisch problematisiert werden. Heute befinden
wir uns in einem Wettrennen, wie es Eric McLuhan, Autor der „Electric
Language“ behauptet, einem Wettrennen um die Sekunden der Aufmerksamkeit
elektronischer Medien, um einen Moment des Buhlens um die
Nachdenklichkeit von Experten. Daher ist ebenso zu sehen, wie in dem
Streben danach, einen Atemzug des Ruhms zu erhaschen, sich die
Subjektivität des Künstlers im unendlichen Bemühen nach Anerkennung
auflöst. Einige werden sagen, dass eben dies eine Veränderung zum Guten
hin darstelle, andere wiederum im Gegenteil, eine zum Schlechten, und
noch andere werden den Mechanismus der Veränderung als eine simple
Regelmäßigkeit betrachten, die keinerlei Reflexionen bedarf. Es ist
daher durchaus erwähnenswert, dass es noch solche Maler und Malerinnen,
Bildhauer und Bildhauerinnen gibt… sowie Dichter, die einen deutlichen,
entschiedenen Rückzug aus derartigen Wettrennen auszeichnet. Diese
Haltung zeichnet eben den künstlerischen Anarchismus von Jolanta
Dorszewska aus.
Aus verschiedensten Gründen gehen diese Wettkämpfe für den einen
erfolgreich aus, für den anderen wiederum nicht. Sämtliche Umstände zu
ergründen, die eine künstlerische Karriere begünstigen, ist ein schweres
Unterfangen und vielleicht nicht möglich, zielführend. Still und leise
revidiert die Zeit jedoch einiges und manch eine preisgekrönte
Berühmtheit landet auf dem Speicher, im Lager eines Museums oder eines
Privatsammlers. Bis dahin kaum beachtete Werke finden ihren Weg (nach
dem Tod ihrer Autoren) auf die nun verwaisten Plätze, an denen bislang
Werke von Künstlern hingen, die zu ihrer Lebenszeit anerkannt, geschätzt
und hoch geehrt wurden. Wahr ist wohl, dass der Ruhm nach dem Tod nicht
gesichert ist. Durchaus nicht. Und genauso, wie ein Werk eines sehr
bekannten Künstlers in Vergessenheit geraten kann, so kann auch ein
seinerzeit nicht besonders beachtetes, jedoch wertvolles Werk gleichsam
für immer unentdeckt bleiben. Ein Glücksspiel. Dorszewska nimmt diese
Situation völlig unberührt.
Es gibt demnach Maler, die sich eine völlige Abwendung von jeglichem
Spiel zu eigen machen, Spekulationen meiden, Programme negieren und
keine ausgeklügelten Strategien bei der Wahl ihres künstlerischen
Werdegangs entwickeln. Jene Künstler hören genau auf das eigene Herz,
auf die Gezeiten der eigenen Gefühle und heben aus der sanften Materie
ganze Welten heraus, wobei die äußere Realität als manchmal Wichtiges,
im Wesentlichen jedoch nur als Vorwand dienender Vorrat möglicher Formen
betrachten. Selbstverständlich streben sie einen Kontakt mit der
Außenwelt an – Außenwelt in Opposition zu der eigenen, konstruierten
Welt –, dieses Bedürfnis steht jedoch im Zusammenhang mit einem weiteren
Versuch, eine verwandte Seele zu finden. Jemanden zu finden, dessen oder
deren Leidenschaften es gestatten, das soeben erscheinende Werk eines
Malers oder Dichters zu akzeptieren und anzunehmen. Und darauf, davon
bin ich überzeugt, beruht der Sinn des künstlerischen Weges und der sich
offenbarende Pfade der Malerin Dorszewska.
* * *
Derartige systemfremde Erscheinungen nannte man vor über 30 Jahren „neue
Sezession“. Diese breite Strömung von unterschiedlichsten, eigenartigen
und individuellen Praktiken, gesonderten Haltungen und Volontärgeist
wird mit einer gewissen Beunruhigung seitens der Kunstkritiker und –
manager, Kuratoren und Kunstsammler beobachtet. Wir wissen nämlich nicht
wirklich, wie man sich Erscheinungen entgegen positionieren soll, dessen
Wert so unterschiedlich ist, Zukunft so ungewiss und dessen Aktualität
sich den ordentlich zugeschnittenen Kategorien entzieht. Die Malerei von
Jolanta Dorszewska, weil es um ihre Werke hierbei insbesondere geht,
kann im Kontext jener breiten Strömung der neuen Sezession gesehen
werden, aber noch näher lässt sie sich keiner besonderen
Erscheinungsform zuordnen. Gewiss sollte man darum bemüht sein, sogar
weit voneinander entfernte Stilrichtungen zu bestimmten Gruppen
zusammenzufassen, indem man nach übernormativen Verbindungen sucht, aber
nicht immer wird ein solches Anliegen von Erfolg gekrönt sein. Lassen
Sie uns also bei dem verbleiben, was als gesichert erscheinen darf:
sicher ist, dass Dorszewska bei aller Zerstreuung, Inkonsequenz, einer
Dramatik des immer weiteren Wechsels der Konvention, mit ihrer Malerei
tief in der Tradition der polnischen Malerei des 20. Jahrhunderts
verwurzelt ist.
Es gibt zwei unverzichtbare und diese Tradition stark bestimmende
Merkmale: Farbe und Metapher. Metapher, kein Surrealismus. Colorismus,
kein Postimpressionismus. Und weiter: Unismus, kein Konstruktivismus,
usw. Direkt zum Ausdruck gebracht: in ihrer Malerei ist Dorszewska
Polin, obwohl sie in Deutschland lebt. Sie bleibt auch Polin. Dies hat
Konsequenzen. Ihr Polentum hat Konsequenzen auf ihre Malerei. Es ist
eine Sache des Geschmacks und der Sensibilität, schließlich auch
derartige Haltungen dem Leben gegenüber, wie man sie seinerzeit in
Europa gewissenhaft bekämpfte und dies eigentlich noch immer tut.
Es geht hierbei um die polnische Anarchie, und das ewige
Unangepasst-Sein, nicht um Anarchisten (politische und ideologische
Gruppen). Es sei angemerkt, dass Henryk Stażewski Anarchie für eine
wertvolle künstlerische Haltung hielt. Daher mindern die dem eigenem
Portfolio hinzugefügten Methoden des Informel, wie es seinerzeit auch
Tadeusz Kantor tat, nicht den Wert der übrigen Techniken der Künstlerin.
So ist unsere Bildhauerei, Malerei, Dichtung. So werden bei uns
Musikstücke komponiert.
Das Wirken der Malerin deutet darauf hin, dass es noch Hoffnung gibt.
Hoffnung auf weitere Veränderung und eine Wiederkehr von etwas, das
völlig in Vergessenheit geraten ist. Wir haben vergessen, dass wir ein
Ziel verfolgen. Dass wir berufen worden sind. Den Propheten unserer
Zeiten zufolge sollen wir „mit leidenschaftlicher Hingabe nach neuen »Epiphanien«
der Schönheit suchen, um sie im künstlerischen Schaffen der Welt zum
Geschenk zu machen“ [Brief von Papst Johannes Paul II. an die Künstler].
Und jedes Leinenviereck, jedes Blatt Papier, auf dem Chaos und
Formenzerfall überwunden wurden, stellen einen Sieg des Geistes dar –
ist zugleich die Erlangung der „rationellen Organisation der visuellen
Materie“. Wir befinden uns inmitten, ja vielleicht sogar im
zivilisatorischen Auge des Zyklons, da die gegenwärtige Kunstepoche zwar
den Namen „Post-Art“ trägt, aber dafür wird sie wesentlich stärker von
Bildern getragen als jemals zuvor.
Inkonsequenz und Unvorhersehbarkeit mögen Erscheinungsformen der
künstlerischen Unruhe sein, sie sind jedoch keine gute Empfehlung für
den Markt, auch auf dem sog. Kunstmarkt. Beispielweise wird hier
eingefordert, die Disziplin zu gewährleisten, der postmodernen
Provenienz zu entsprechen. Aber eben aus diesem Grund birgt die Malerei
von Dorszewska, die auf einer derart anderen Haltung beruht, die
Möglichkeit in sich, dass sich ein Kreis von Menschen
herauskristallisiert, die dazu fähig sind, mit dieser Malerei
mitzuempfinden. Diese Malerei verleiht uns also eine Chance, und als
Personen außerhalb des Systems der nach den Regeln der modernen Welt und
ihrer „Kunstwelt“ verliehenen Preise und Auszeichnungen zu finden.
Gemeinsam mit der Autorin der „Biologischen Energien“ dürfen wir an der
Erschaffung des sich stets ausdehnenden Raums mitwirken, in dem eine
Erneuerung der Form in der Materie angestrebt wird. Und dies ist
keineswegs ein banales Anliegen.